Documenta
2012 - oder die Profilierung des Profillosen
Den
Höhepunkt ihre Akzeptanz respektive gesellschaftlichen Relevanz hatte
die "documenta" 1972 erreicht. Das lag nicht allein an der
konkreten Ausstellung, die Harald Szeemann inszeniert hatte. Damals war
der Glaube an die Kunst noch vorhanden. Es gab Potentiale, die sich
- 1968 hin oder her -nicht in einem holistischen Politikbegriff
erschöpfen ließen. Die Kunst hatte einen Anspruch, der mal mehr als
Autonomie und dann wieder als Systemfunktion definiert wurde, aber nicht
jene perennierende Langeweile produzierte, die heute längst eingekehrt
ist. Wer will heute schon noch "sensibilisiert" werden? Wer
glaubt an Seherlebnisse hier, die nicht anderenorts ebenso möglich
sind?
Erstaunlich
bleibt, dass diese abgelebten Kulturerfahrungsformen sich so hartnäckig
gegen ihr wohl verdientes Ende wehren. Vor allem: Was denn, um Apollos
Willen, dokumentiert denn die "documenta"? Was in irgendeinem
Atelier gemacht wird und nun aufgrund idiosynkratischer Auswahl ein
Publikum findet! Die Emphase des Bedeutungslosen ist ein spezifischer
Trick der späten Moderne, den inzwischen aber jedes Kind kennt. Er
funktioniert auch nur insoweit, als die Sachwalter des Systems ihre
Eigeninteressen damit verbinden. Die Leute staunen nicht, weil der
Kaiser vorgeblich neue Kleider trägt, sondern weil sie dafür bezahlt
werden. Die Artefakte erlangen Bedeutung, weil es ein System gibt, das
ökonomisch klar codiert ist. Aber wir als Publikum brauchen das nicht.
Packt den Kram ein oder lieber erst gar nicht aus.
Goedart Palm
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