Fünfziger Jahre Memories Erinnerungen

© Goedart Palm 

 

Timemachine

Der neue "Homo Ludens" hat jedenfalls weniger Probleme mit den Härten der dritten industriellen Revolution als mit dem dritten Level, der bei jedem Update alle vormaligen Spielniveaus überbieten muss, wenn die Softwareprogrammierer nicht im Orkus der fossilen Spielgeschichte versinken wollen. Und viele sind dahingegangen, weil sie im Gewerbe der fotorealistischen Reizüberflutungen und Animationssensationen nicht mithalten konnten.

Die Imagination, die Hänschen brauchte, um aus drei Stühlen eine rollende Wohnzimmer-Eisenbahn zu machen, kennen die Kinder von Pokemon und Nintendo längst nicht mehr. Imagination kommt aus der Maschine - und kommt sie nicht daher, dann wird das Programm so gnadenlos ausgepunktet wie ein römischer Gladiator, den sein Publikum nicht mehr unter den Lebenden zu sehen wünscht. Die Fantasie der Mouseclick-Enthusiasten schrumpft nicht mal auf antike Daumengröße, sie ist sub specie ludis so überflüssig wie die Empfehlungen der Jugendschützer, die hinter jedem verirrten Egoshooter bereits den Terminator des Abendlands wittern. Den Untergang des Abendlandes besorgen die Konsolenzocker zuletzt, wenn sie über die Stränge hochorganisierter Gesellschaften schlagen, sich von der langweiligen Zivilisation in spieldarwinistischen Szenarien erholen. Egoshooter sind konditionierte Egomanen, die aber nicht mehr selbstverliebt ihr Antlitz im Teich betrachten, sondern die zerfetzten Digitalkörper als realen Existenzbeweis feiern.

Goedart Palm

© Goedart Palm 

 

Später gab es solche Menschen nicht mehr...

Der berühmte Spielkulturhistoriker Johan Huizinga erkannte in Spiel und Wettbewerb vitale Zivilisationsfunktionen, aber hinter der Zivilisation der Spielercommunities steckt zugleich auch die fröhliche Barbarei, die indes Adornos Verdikt gegen die Kulturindustrie nicht so recht wiederzubeleben vermag. Diese Barbarei ordnet sich dem Unbehagen an der Zivilisation unter. So paradox sind die Verhältnisse auf der Playstation: Die juvenilen Akkordspieler schicken sich selbst zum Spaßeinsatz aufs virtuelle Fließband immer neuer "Levels", ohne den Unterschied zwischen monotoner Arbeit und einförmigem Spiel noch erkennbar zu machen. Letztlich geht es den Zockereingeborenen um "Fun" und der widersetzt sich der semantischen oder kulturellen Aufschlüsselung, wie auch Huizinga den Spielern ante litteram beipflichtend zur Hilfe eilt.

In der Spaßtotale transzendieren die Youngsters Sachzwänge, um zugleich der vormaligen Hochkultur dreckig ins Gesicht zu lachen, wenn die denn überhaupt noch wahrgenommen wird. Das könnte das virtuelle Half-Life für einen Moment des Kulturpopularismus sympathisch machen, wenn nicht die digitalblutigen Egoshooter letztlich armselige Autisten wären, die ihre Identität an der Konsole abgeben, um sich nur noch mit dem Geschwindigkeits- und Vernichtungskitzel zu identifizieren. Was heißt aber Autisten?

Goedart Palm

 

 

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Copyright. Dr. Goedart Palm 1998 - Stand: 01. Mai 2018.