"Die Erstplatzierte Elke Heidenreich sprach mit Cicero
über Politiker, ihre Familie und Karriere." Cicero ist ein Magazin für
"politische Kultur" und Elke Heidenreich also nach Ciceros
Ranking die erste
Vordenkerin des Landes. "Wichtigste Denkerin" war anderenorts
ein Werbeemblem Ciceros für Heidenreich.
Also: Elke Heidenreich stellt Bücher
vor, die ein breites Publikum lesen soll. Mit intellektueller Kultur hat
das auch zu tun, zuvörderst aber mit Leseerfahrungen, die einfach und
durchaus kulinarisch aufbereitet werden. Das ist nicht verboten, hat nur
mit Denken wenig zu tun. "Vordenken" ist ein spezieller
Terminus. Da geht einer respektive eine über ihre Zeit hinaus und zeigt
den anderen aus seiner/ihrer überlegenen Weltsicht Horizonte, die andere
noch nicht oder nie erschlossen haben. Wer also in den Medien einige Bücher
exponiert und nicht lediglich den Klappentext rezitiert, ist also laut
"Cicero" bereits ein Vordenker. Hier stimmt gar nichts mehr.
"Cicero" muss dringend seinen Kulturbegriff revisionieren. Elke
Heidenreich sollte man häufiger zitieren und nicht über sie den Stab
brechen. Denn eine Vordenkerin ist sie gewiss nicht, will sie auch gar
nicht sein. Allein ein Printmedium schielt auf die Auflage und Ranking ist
immer gut. So also nicht. Das sind Mogelpackungen, die den Begriff der
"Kultur" verraten. Politische Kultur war indes immer ein
Paradox. Wieder ein Grund, ein intellektuelles Angebot in Deutschland
bequem übergehen zu können. Verschont die Menschheit mit Denkern und
Denkerinnen. Man stelle sich das Label vor: "Hannah Arendt, die
Vordenkerin". Das wäre blamabel und unangemessen. Denker, liebe
Ciceronen, denken "nach", nicht vor. Letzteres sollte man
Propheten oder Meinungsforschungsinstituten überlassen.
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