Zweierlei geht aus dieser Tatsache
hervor. Korruption wird bereits von allen europäischen und einigen außereuropäischen
Mächten als eine Macht anerkannt. Es ist hohe Zeit, dass die Korrupten ihre
Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem
Märchen vom Gespenst des Korruption ein leidenschaftliches Plädoyer für die Korruption
selbst entgegenstellen.
Bananenrepubliken sind von oben bis unten
und von unten bis oben so verfilzt, dass der Kölsche Klüngel trotz herausragender
Anstrengungen des letzten Oberbürgermeisters dagegen nur ein kümmerliches
Gänseblümchen auf dem Sterntalerteppich der fröhlichen, privat-öffentlichen
Mischfinanzierung ist. Ohne Korruption würden die Ex-Plantagen unter der Last überreifer
Bananen und überfliessender Entwicklungshilfe zusammenbrechen. Korruption ist dort die
Tarifautonomie der Staatsdiener und das Schmieröl der Behörden. Wenn das Gehalt nicht
reicht, muss der Dritte-Welt-Mensch eben noch etwas darauflegen, um wie ein Mensch in
Afrika zu leben, wenn es ihm schon verwehrt ist, wie Gott in Frankreich zu prassen.
Bakschisch ist dort Sittengesetz, praktische Vernunft des guten Hausvaters, parareligöse
Tradition. Das weiß jeder und glückliche Gesichter zeigen, dass es funktioniert. Sollten
wir nicht von den guten Wilden lernen, die noch natürlichen Regungen folgen und die Natur
in ihr angestammtes Recht setzen?
Den alten Mächten gilt Korruption
dagegen als der Anfang des abendländischen Untergangs, obwohl sie es noch nie richtig
versucht haben. Aufdringliche Journalisten, die letzten Dinosaurier der Aufklärung
politischer Sumpflandschaften, prangern an, was vermeintlich nicht sein soll und doch sein
muss, wenn turbokapitalistische Motoren wie geschmiert laufen sollen. Schlechte Zeiten
für Nepotismus, Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, wenns nach der Journaille ginge.
Oberbürgermeister sollen sich diesen Beckmessern wirtschaftlicher Unvernunft nach ihre
Privatgärten nicht vom städtischen Gartenamt richten lassen, sondern selber ihr
Apfelbäumchen pflanzen. Als ob Volkstribunen so viel Zeit hätten. Baugenehmigungen
sollen nicht gegen Bares vergeben werden, obwohl unsere blühenden Städte nie entstanden
wäre, wenn wir den dornigen Behördenweg nicht mit schneller Mark weich geknetet hätten.
Insidertips sollen nicht zur privaten Fondpolitik genutzt werden, obwohl das Dasein als
öffentlich bestelltes Vorstandsmitglied jede Berechtigung verlöre. Und schlimmer noch:
Kein Bakschisch für Beamte, die nichts Böses sehen oder hören sollen.
Käuflich sind bei uns bis jetzt nur
Waren, keine Amtshandlungen, obwohl das in hochorganisierten Gesellschaften doch die
kostbarsten Güter geworden sind. Nun passiert es aber glücklicherweise doch. Immer,
nein, aber immer öfter. Wenn eine Zwergpartei im letzten Bundestagswahlkampf mit dem
Slogan wirbt "Garantiert korruptionsfrei", ist das nachgerade lächerlich, so
lange nicht die Chance besteht, korrupt bis auf die Knochen eines randvoll gefüllten
schwarzen Kontos sein zu dürfen. Also betrachten wir die, die korrupt hätten sein
können, und es trotz aller Anfechtungen nicht geworden sind, um aus ihren Fehlern zu
lernen:
Der vormals arme Mann im Kreml. Hatte er
doch Recht, Staatsgelder nicht im mafios verseuchten Russland dem Zugriff organisierter
Ganoven auszusetzen. Man muss mitunter zu unpopulären Maßnahmen greifen, um den privaten
Besitzstand von Regierungen zu wahren. Und Jelzin war doch nicht dafür verantwortlich,
dass Russland nicht zum Zarenreich restauriert wurde, sodass er endlich so schalten und
walten konnte, wie er es ohnehin schon lange tat. Vor solchen privaten
Staatssäckelerhaltungsmaßnahmen muss jede Anklage verstummen, zudem Strafen
Schuldfähigkeit voraussetzen. Nun könnte man sicherlich vorschnell aus der
transnationalen Verlagerung der Gelder auf die Geschäftsfähigkeit des ehemaligen
Staatschefs schließen, aber das würde dem Umstand wenig Rechnung tragen, dass die
Schattenregentschaften von russischen Premiers von Jelzin augenscheinlich nach
Tagesfristen berechnet wurden. Wenn das Regierungsverantwortung ist, ist Russland,
Gottseibeiuns, eine wohlfahrtsstaatliche Demokratie.
Wenn Ex-EU-Kommissar Bangemann sich die
Gunst seiner zahlreichen Bewunderer hätte erhalten wollen, wäre er bei der Job-Wahl
etwas sensibler gewesen. Aber dieser Mann hängt sein Fähnchen eben nicht in den Wind,
sondern entscheidet sich auch für unpopulistische Maßnahmen, wenn es der Wahrheit und
seinen weit blickenden Televisionen dient. Klar braucht dieser supranationale Mann ein
kulinarisches Einkommen, das ihn nicht dazu verdammt, in Zukunft Chicken McNuggets zu
goutieren, wo sich die echten Nuggets in den Telekommunikationsimperien dieser Welt doch
nur so stauen. Von den Hungerpensionen als Ex-Wirtschaftsminister, schlappen
Übergangsgeldern und mickrigen EU-Bezügen allein kann ein stattlicher bzw. staatlicher
Gourmet nicht anständig leben. Wie soll einer sich den Gürtel enger schnallen, wenn er
sich nicht einmal mehr das Krokoleder für sein politisches Format leisten kann?
Am Rande: Politisch noch sensibler wäre
zwar ein Aufnahmeantrag bei den Wildecker Herzbuben gewesen. Die Konstitution hat
Bangemann allemal, und selbst eine Namensänderung etwa: Die drei Big-Bange-Männer
oder Herzilein-Trio wäre doch eine politisch sauberere Melodie in den Zeiten des
Politotainment gewesen. Und lukrativ zudem. Sind doch abgejodelte Heimatmelodien die
bestbezahlten Weisen, goldene Sporen und diamantene Sättel zu verdienen, wenn man hart
genug ist, neben den immerjung strahlenden Hellwigs zu wiehern.
Es bleibt ein ewiges Kreuz- und
Querdilemma der Demokratie, dass hochkarätige Wirtschaftsmanager sich nicht mal ein
anständiges Wüstenrot-Eigenheim in der Provinz leisten können, wenn es nach
Finanzämtern und Rechnungshöfen ginge. Als Vorstandsvorsitzende wären Politiker in der
Lage, leicht das Zehnfache ihres Volkstribunensalärs zu kassieren. Und trotzdem sind
einige fast selbstlos bereit, den Staatskarren aus dem Dreck zu ziehen, und wir verwehren
ihnen die goldenen Kaleschen, um rechtzeitig am Brandherd einzutreffen. Ja nicht mal in
den dunklen Wäldern Kanadas lässt man sie ungestört fremdes Holz hacken, um sich eine
zünftige Blockhütte für ihre alten Tage zu zimmern. Bodo Hombach, dem Helden des
postkosovarischen Freiheitskampfs, ist es wohl kaum zuzumuten, in einer mexikanischen
Wellblechhütte oder einem KFOR-Flüchtlingszelt zu kampieren. Gestern war zudem
Wüstenrot-Tag und Bodo durfte bauen. Ein postmodernes Schlösschen ist daraus geworden,
schmuck anzusehen und auch von innen ganz schön.
Wer glaubt, hier den ersten Stein in die
übermannshohen Glasfenster werfen zu dürfen, sollte sich fragen, wie elendig diese Welt
aussähe, wenn es keine Kirchen, Paläste, Pyramiden, Triumphbögen, Herrschaftshäuser,
Jagdschlösser und andere Luxusbauten gäbe. Ohne architektonische Meisterwerke lebten wir
heute noch unter Bäumen wie weiland in Eden. Was ist ein Urlaub an der Loire ohne
Besichtigung der Schlösser wert? Gizeh ohne Pyramiden? Auch wenns den Sklaven-Baukolonnen
nicht nur Spaß gemacht haben sollte, Wackersteine zu schleppen, zuletzt waren es doch
alle zufrieden, dass die Nachwelt ihre Buenavista-Reiseführer füllen kann, ohne nur
McDonalds für das Schönste auf der Welt halten zu müssen. Mit Plattensiedlungen in
Marzahn oder Chorweiler werden wir die Nachwelt kaum für uns begeistern.
Zurück zum Geld. Thema: Parteispenden.
Die Parteien duschten sich über Jahre im warmen Regen ihrer Stiftungen, der bald sauer
aufstieß. Es wurde verurteilt, was doch nur gemeinnütziges Handeln war. Bigott ist das
Gerede über die Verdienste von Parteimenschen, wenn der Bürger nicht deren Portefeuille
und demokratische Denkungsart aufbessern darf. Der Investigationsjournalismus blühte in
jenen Tagen und allen voran hetzte "Der Spiegel", das Papier gewordene Gewissen
der Nation, gegen die Gemeinnützigen - oder waren es nur gemeine Eigenützige? Aber auch
hier hatte die Geschichte billiger Denkungsart vorläufig gesiegt. Strafen ja, aber keine
moralische Verurteilung der Täter. Gentlemen, die zur Kasse baten, fanden sich bald
wieder in moralisch integeren Positionen, die sie nie verlassen hätten, wenn nicht der
Geist der Missgunst kurzeitig über die praktische Vernunft gesiegt hätte. Und daraus
hätte man lernen können. Stattdessen werden jetzt die Abrissbirnen gegen den Denkmal
gewordenen Einheitskanzler geschleudert, weil ein paar läppische Millionen über lange
Jahre verteilt nicht auf die unbekannten Spender, sondern auf die frisierten Bilanzen
zurückfallen. Transparenz ist ein Erzübel, weil es die Ressentiments der
Schlechterverdienenden gegen die Staatslenker schürt und Volksparteien in Gefahr geraten,
zu Parteien der Bestverdienenden disqualifiziert zu werden. Wie soll man über
anderthalb
Jahrzehnte hin souverän regieren, wenn man sich zuvor sein abgemessenes Schmieröl im
Kännchen beim Schatzmeister der Partei abholen muss? Richtlinienkompetenz ja,
Kontovollmacht nein? Das funktioniert nicht und man darf die Funktion von Demokratien
nicht den Blümchenvorstellungen von lebensfremden Moralbuchhaltern opfern.
O tempora, o mores. Ab jetzt will ganz
Europa korruptionsfrei sein und keiner warnt vor dieser Irrlehre, die jeden Hexenhammer
als Zeugnis feinkörniger Vernunft erscheinen lassen. J. Santer, Ex-Chef der
EU-Kommission, forderte neue Transparenz, Offenlegung der Verhältnisse der Kommissare.
Immerhin spricht für ihn, dass die Drohung erst ausgesprochen wurde, als das
französische Baby schon tief in den Brunnen gefallen war. Damit aus EU-Kommissaren keine
"Kriminalkommissare" werden, brauchen wir angeblich den gläsernen Kommissar.
Selbst Auftragsvergaben und Pöstchengeschiebe an Ehepartner wird der Kommissar demnächst
angeben. Freiwillig! Idealtypisch teilt der EU-Kommissar in Zukunft mit: Gestern mit dem
Bauernverbandsvorsitzenden im Bordell gewesen. Säuisches Vergnügen gehabt! Also zwei
Felder zurück. Oder: Letzte Woche ein Silberbesteck der Edelmetall verarbeitenden
Industrie zurückgewiesen. Also zwei Felder vor. Demokratien glauben an die Macht von
Appellen, weil Demokraten grundsätzlich verantwortliche, vor allem lernfähige Menschen
sind. Nun hat Lenin gesagt: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Aber das
sind sozialistische Parolen, denen wir kein Vertrauen mehr schenken, weil die
Planwirtschaft eine Mistwirtschaft war. Ist nicht der soziale Frieden gefährdet, wenn
Misstrauen zum Verkehrsmittel des Umgangs wird? "Trau, schau, niemand" darf
nicht zur Formel der Observierung von Staatsdienern werden, denen man eben nicht trauen,
sondern folgen soll.
Korruptionsbekämpfung ist ein Irrweg,
wenn aus guten Freunden noch bessere Amigos werden könnten. Erst Korruption kittet, was
schon lange nicht mehr zusammenhält. Beispiel: Diäten. Mit den Diäten beginnt ja erst
die Verschlankung der Staatsfinanzen, wenn die Bürger die kalorienarme Speisenkarte
zusammenstellen. Bürger klagen selbstmitleidig über die Einmütigkeit der
Parlamentarier, wenn´s um die eigene Kohle geht. Diätenerhöhungen wären überflüssig,
wenn Parlamentarier von den Bürgern ihres Wahlkreises für unermüdlichen Einsatz direkt
und ohne Umwege ein Scherflein einstreichen dürften. Früher gab es schließlich auch
Zehnt-Scheunen der Fürsten, die von den Bauern als Dank für gute Staatsverwaltung
angefüllt wurden. Unverschämte Tarifforderungen des öffentlichen Dienstes werden
zukünftig auf den informellen Privatgeldweg verwiesen. Wer mehr will, soll zeigen, dass er
das Vertrauen, das die Bürger in ihn setzen sollen, auch wirklich wert ist. Und der Wert
wird nach dem Preis bemessen. Korruption folgt dem Leistungs- nicht dem gemütlichen
Laufbahnprinzip. Nur der wird von den Verhältnissen profitieren, der bestochen wird. Und
längst ist es nicht jeder Staatsdiener wert, dass man ihn besticht. Diese Leute müssen
mit dem Nettolohnprinzip leben und sich von ihren Schlaraffenillusionen eines progressiven
Beamten-Salärs trennen. Wer gibt schon einer Politesse 50,- DM, um eine hässliche
Parkverbotsknolle von 30,- DM von der Windschutzscheibe zu entfernen? Das rechnet sich
eben nicht und vielleicht stirbt der "höfliche" Berufsstand ja dann auch
unglückseligerweise aus. Wer würde irgendeiner Regierung Geld geben, damit
gutnachbarliche Beziehungen zum Ausland hergestellt werden? Vermutlich niemand. Bestechung
ist mithin die Stimme des Volkes. Ein Plebiszit der ehrlichsten Art. Nur wer Leistung
zeigt, kriegt Geld. Mal mehr, mal weniger. Staatsaufgaben resultieren nicht länger aus
den imaginären Höhenflügen einer windschiefen Verfassungsinterpretation, sondern folgen
dem Taktstock privater Budgets. Endlich hören dann die Klagen über faule Beamten und
saturierte Bonzen auf.
Und das Bruttosozialprodukt freut sich
zudem. Die Staatsdiener geben ihren neuen Zusatzverdienst bei der
Einkommenssteuererklärung an. So verdient der Staat doppelt. Er spart Gehälter und
besteuert die Bestechungsgelder. Alle reden von Staatsschulden. Wir nicht mehr. Wir reden
von Milliardeneinsparungen. Korruption macht´s erst möglich. "In the long run"
werden Staatsdiener keinen Staatspfennig mehr kosten. Jeder kassiert nach seinen
Fähigkeiten und der Freigiebigkeit der Bürger. Das gebietet die Chancengleichheit im
Wettbewerb aller gegen alle. Welcher Widersinn, einerseits nach öffentlichen
Sparschweinen zu rufen, und Politiker andererseits zu denunzieren, wenn sie sich als
schuldenbewusste Sparschweine in der Busy-ness-Class das Flugticket privat von ihrer
Hausbank finanzieren lassen.
Konjunkturbelebung würde die Folge einer
korrupt-plebiszitären Demokratie sein. Bestechungsfonds als Investitionsanlage,
Filzaktien auf dem Vormarsch, der DAX als goldberauschter Komet am Horizont der korrupten
Gesellschaften. Auch das Schreckgespenst der Kapitalflucht ins geldwaschbereite Ausland
wäre endgültig gebannt, sodass wir nicht länger fürchten müssen, von einer führenden
Wirtschaftsnation zum Entwicklungsland zu regredieren, weil das im Schweiße unseres
Angesichts gesammelte Fluchtkapital auf den Jungferninseln dauerparkt.
Und schließlich. Wenn alle bestechen und
alle bestechlich sind, bleibt nur eins: Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen. So
fair kann nur eine wirklich abgefeimte, nein, will sagen: abgeklärte Demokratie sein, die
sich von der antiquierten Vetternwirtschaft lossagt, um die revolutionäre Forderung nach
monetär gesicherter "Brüderlichkeit" mit schnellen Euros einzulösen.
Und später erzählen wir als Großvater:
"Wo wären wir hingekommen, wenn wir nicht korrupt geworden wären?" Aber wir
reden erst über die schlechten, alten Zeiten, wenn uns die Enkel ihr unversteuertes
Taschengeld zugesteckt haben, das wir selbstverständlich in der Einkommensteuererklärung
mit keinem Sterbenswort erwähnen weil wir schließlich die Sozialisation der
Kleinsten auf dem Weg zu mehr Eigenverantwortlichkeit in der Gestaltung öffentlicher
Verhältnisses nicht gefährden wollen. Doch in diese Prospekte einer schönen
geldstabilen Zukunft platzt jetzt die Schreckensnachricht, die Organisation
"Transparency International" mit Filialen in 77 Ländern wolle Großprojekte in
aller Welt "korruptionsfest" machen.
Bürger, nun steht auf und wehrt Euch,
fragt die Hexenjäger der Korruption nach ihrem Preis, denn wir haben die korrupten
Verhältnisse nur von unseren Kinder geliehen und dürfen sie nicht den Traumtänzern
einer ungesunden Wirtschaftsmoral opfern.
Goedart Palm
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