Zerstreute und höchst
fragmentarische Notizen zum mixtum compositum des Autors - Querbeet und erste Sichtung, um
ein Gespräch nicht am Anfang beginnen zu lassen. "Der Mensch ist seine eigne
Reliquie; - hätt´ ich die Spielsachen meiner Kinderjahre." (Jean Paul,
Ideen-Gewimmel).
Oder: Wie man sich meine Sympathie
erhält, ohne allzu viel blöd nachzufragen.
Der Mensch ist ein Produkt seiner
... ja was eigentlich?
Lektüre. Peter
Handke hat mal gesagt: Herr, gib mir meine tägliche Lektüre heute. Und das bleibt ein
Problem und wird mit wachsenden Bibliotheken und überquellenden Festplatten noch
erheblich größer. "Es hat noch keinen Menschen gegeben, der seine ganze Bibliothek
gelesen hätte." (Jean Paul, Ideen-Gewimmel). Was der geringste Grund wäre, keine
neuen Bücher zu kaufen.
Hominy
- der Indianerbub, Der fliegende Stern (?), Klein Rubens
Insel, meine ersten
Bücher. Karl May rauf und runter
- so fing man damals an, die Bamberger Ausgaben gestemmt, was halt Leihbibliotheken so
hergeben. Eigentum an Büchern war kostspielig und - angeblich den Eltern
nach - nicht notwendig.
Ernst
Bloch, der Kenner, hat Karl May gut charakterisiert: Es ist dieser Traum des
kleinen Mannes, seine Welt zu schaffen und zu beherrschen.
Daneben lese ich in Kindertagen
Comics in Mengen: Illustrierte Klassiker und Superman, Marvel-Helden, aber never ever
Disney. Mickey Mouse, Dagobert und Donald Duck sind mir immer suspekt geblieben. Später:
Robert Crumb. Moebius - wegen der sparsamen und effektiven Zeichentechnik, ein Meister der
vielleicht bessere Themen hätte finden können.
Philosophisches.
Friedrich
Nietzsche, frühe und prägende Lektüre, durch Zufall in der
Leihbücherei auf die Schlechta-Ausgabe gestoßen, unmittelbare Faszination jenseits
irgendeiner philosophischen (ich kann nicht "filosofischen" schreiben)
Grundierung, mit anderen Worten: Nietzsche stößt auf mein philosophisches Nichts.
Menschliches, Allzumenschliches - ein Buch der Überraschungen. Von daher ein dauerhaftes
Vergnügen an Aphorismen: Montesquieu, Lichtenberg, La Rouchefoucauld,
Rivarol. Montaigne.
Abbe Galiani. De Maistre, Carl
Schmitt. Rousseau - immer zugleich mit Verachtung gelesen, ich
kann mich der Einschätzung de Maistres nicht verschließen, wiewohl
dieser selbst bekanntlich ein kleines Monstrum ist. Rousseau hilft mir bei
der "kontradiktorischen" Selbstfindung, denn wenn R. eine
Vorliebe für etwas hat, habe ich bestimmt eine Abneigung dagegen. So
etwas muss man wie Nietzsche lesen... Eine Woche in
Sils Maria im Nietzsche
Ferienhaus gewohnt.
Der illustre Bewohner ist noch
fragmentarisch anwesend,
zumindest jedenfalls einige alte Möbel und die grüne Tischdecke, die er sich anfertigen
ließ, um seine kranken Augen nicht über Gebühr zu strapazieren. Besuch im
Waldhaus - ein "must" - wie ein
echter Besuch
auf dem Zauberberg. Wenn ich liquide bin, werde ich dort
"campieren". So lange dürft ihr dort nichts verändern! Adorno
"weilte" auch in dieser Zeitmaschine. Die "Alpenrose" existiert - glaube ich -
nicht mehr.
Nietzsche ist Kult.
Tilman Buddensieg hat
neulich ein schönes Buch über Nietzsche in Italien
geschrieben, gute Charakterisierung,
Archäologie. Marquis de Sade - hier und nur hier wird wirklich klar, was Dialektik der Aufklärung ist, die Vernunft, die
noch ganz andere Formen des kategorischen Imperativs kennt, als sie in Königsberg
entworfen werden. Robespierre, von seiner Biografie abstrahieren und seine Reden lesen,
vielleicht geht das nicht, aber deshalb bleibt die Rhetorik gleichwohl brillant. Leibniz
ohne seine Theodizee, also durch Voltaires Reißwolf getrieben. Die Monadologie ist
eher unbegreiflich, wenngleich durch die Quantenphysik dieser Ansatz in
einigen Momenten bestätigt werden könnte. Dieser ewige Gottsucher. Selbst wenn es die beste aller möglichen Welten
wäre, könnte man das niemals akzeptieren. Zumindest nicht als Virtualist. Diderot, Jacques, der Fatalist - sehr wichtig,
wenn einen das Leben plagt. Hegel immer wieder, aber in kleinen Portionen, sonst wird er
mir unerträglich. Instruktiv zur Geschichte der Philosophie. Kant auch nur in
überschaubaren Portionen - Kritik der reinen Vernunft lässt die beiden anderen Kritiken hinter sich.
Wer allerdings nur Platon und Kant lesen
würde, wäre nicht schlecht bedient. Schopenhauer ist bereits sehr eingestaubt, aber mitunter funkelt es
darunter. Karl Marx/Friedrich Engels - Die
deutsche Ideologie, so wie Marx mit Max Stirner verfährt, das hat was.
Sigmund
Freud, die zweite "Offenbarung" nach Nietzsche. Freud sprengt
die Bewusstseinsphilosophie in Teile. Ab jetzt gibt es neue Unterscheidungen ("draw a
distinction") für die Kuriositäten des eigenen Verhaltens. Wenn man nicht Herr im
eigenen Hause ist, kann die Erbsünde nicht so wörtlich gemeint sein. Wilhelm Reich als
Kur gegen sexuelle Repression, so überanstrengt seine Orgontheorie auch ist. Günther
Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, seine Apokalypseprospekte etwas
großsprecherisch. Das Leitmotiv aber stimmt, wir leben in der ständigen Asynchronizität
der Verhältnisse, hinken der Zeit hinterher und erfahren das widerwillig bis staunend als
Beschleunigung. Elias Canetti, vielleicht etwas überschätzt, aber viele Perlen unter den
unzähligen Aphorismen, vor allem: Die Provinz des Menschen. Cioran, manchmal, früher
häufiger, verfalle ich auch in diese Haltung, aber lange lässt sich das nicht aushalten
und für Cioran gilt das genauso, wie wohl einige unterdrückte Momente seiner Biografie
erweisen. Heidegger. Carl Schmitt - Zum Begriff des Politischen bis hin zur
Auflösung des Begriffs. Dazu Nicolaus Sombart lesen: Die deutschen Männer und ihre
Feinde. Ludwig Wittgenstein: Fragen stellen - das ist die Philosophie. Wie ohnehin jede
Dogmatik wieder zu ihren Fragen zurückgeführt werden muss.
Jürgen Habermas
nie ohne Ressentiment
gegen den Autor gelesen, zuviel oberlehrerhaften Glauben an die Aufklärung, so wenig
dieser Glauben auch preiszugeben ist. Immerhin versöhnen die glasklaren
Passagen, wenn er Partei ergreift. Auch wenn das Diskursmodell heftig
anzufechten ist, bleibt viel Wahrheit darin. Niklas Luhmann:
Selbstverständlich ein uneingestandener Hegelianer, mit einer sehr breiten, bürokratisch
eingerichteten Metaebene, die alle nur Gutmeinenden scharf rasiert und in ihre
systemischen Bestandteile zerlegt - leider sehr redundant, der Zettelkasten hat die
Texte generiert, scheint aber zu sehr durch, um stilistisch genießbar zu
sein. Und Stil mag keine Frage des Charakters sein, aber es ist ein
Freundschaftsbeweis gegenüber dem Leser. Daran fehlt es hier. So wird die Aussage Luhmanns verständlich,
dass er die Texte nie überarbeitet hat. Luhmann ist ein Narziss, seine
Adepten fast allesamt farblos. Nach Luhmann weiß man immerhin, wie wichtig es ist,
Unterscheidungen zu treffen. Die Postmoderne: viel gelesen, wenig bewahrt.
Zwischenzeitlich sehr viel buddhistische Literatur gelesen, vor allem Suzuki. Wer Zen
kennt, kann sich vielleicht den beschwerlichen Weg über Heidegger erleichtern oder gar
ersparen. Medienphilosophie - gibt es die außer Marshall
McLuhan, von Vilem Flusser vielleicht abgesehen? Neuere Medienphilosophie
ist ein Desiderat, nichts wirklich Wichtiges, am ehesten noch Lev Manovic, aber alles das
hinkt hinter den Ereignissen her und ist bald schon völlig lahm gegenüber immer neuen
virtuellen Explosionen. Wer Marshall McLuhans Ansatz versteht, hat sehr
viele Anknüpfungspunkte für eigene Studien.
Snip
Casanova, Geschichte meines Lebens. Die
Flucht aus den Bleikammern bleibt einer der spannendsten biografischen Berichte dieser
Zeit. Fellinis Casanova ist unfair. Wäre Casanova weniger flatterhaft gewesen, hätten
wir nicht diesen intimen Eindruck seiner Zeit.
Stendhal, Rot und Schwarz, Die Kartause
von Parma, Über die Liebe, bleibt wohl immergrün. Jean Paul, sehr schöne Aphorismen.
Hebbel - Tagebücher, sehr eindringlich, vielleicht die besten
T-Bücher. Gottfried
Keller, Der grüne Heinrich, so wird
man langsam erwachsen: Mach das, was du kannst und vertraue nicht auf falsche Berufungen.
Aber muss man deshalb zum Bürger werden? Jedenfalls lieber
der "grüne Heinrich" als "Wilhelm Meister", das hat mir
Goethe nicht sympathisch gemacht, wie ich ohnehin ein eher gespaltenes
Verhältnis zu G. habe. Flaubert, Lehrjahre des Herzens, Bouvard und Pecuchet (das ist
bereits Postmoderne), aber nicht Madame Bovary. Joris-Karl Huysmans, in empfänglicher
Zeit "Gegen den Strich" (A rebours, 1884) gelesen. Georges Rodenbach, Das tote
Brügge. In diesem Kontext Mario Praz über die schwarze Romantik gelesen. Oscar Wilde:
Der Begriff des Dandys, herrliche Zynismen.
Die späten Kurzgeschichten bzw. Erzählungen von
Mark
Twain, insbesondere der "Geheimnisvolle Fremde" - der Satan
repräsentiert das unheimliche, aber heimlich vertraute Mephistopheles-Prinzip, das die
Fundamente der Welt entlarvt. Irgendwann einen Essay über Dämonologie schreiben, wichtig
auch Bulgakow, Der Meister und Margarita und selbstverständlich Thomas Manns Dr. Faustus,
Valerys Faust nicht zu vergessen. "Teste" - schwierig, schwierig,
ist einer "Relektüre" zu unterziehen.
Karl Kraus,
der Meister der deutschen Sprache schlechthin, immer wieder lesen, wenn man seine eigene
Sprache verwirft. K.K. macht klar, dass ein Stein des Anstoßes ein mächtiger Motor ist,
so kurzschlüssig auch manche Moral im Kampf gegen Zeitgeist und Tagespresse sein mag.
Alfred Kerr, aber der Ton bleibt nicht im Ohr hängen. Kurt
Tucholsky, das Berlin seiner Tage, unkapriziös und präzise, ein
warmer, kritischer bis scharfer Ton. "Tucho" war unglaublich
präsent. Thomas Mann, Der Zauberberg. Hermann Hesse - doch ein bisschen zu
verspielt und simplex zugleich. Walter Serner - Letzte
Lockerung.
Leo Perutz,
eine kleine Renaissance hat er wohl in den letzten Jahren dank einer Neuedition erlebt,
aber der Meister des Spannungsromans ist weit gehend unbekannt: Der Meister des jüngsten
Tages, 1923, mein favourite, immerhin spannender als Ecos "Name der
Rose", aber eben unbekannt und die Verfilmung macht die Kultur nicht
wesentlich reicher. Ferner: St. Petri-Schnee (1933), Das Mangobaumwunder - Eine
unglaubwürdige Geschichte (1916) (zusammen mit Paul Frank). Otto Soyka, Die
Traumpeitsche. Isaac Babel. Arno Schmidt: Zettels Traum und die Erzählungen.
Wörter sind nicht eindeutig, in der Nachfolge von James Joyce lassen sie sich mit
unbewusstem Sinn bepacken, der die wirklichen Intentionen auf den Dollpunkt der Sprache
treibt. Borges - die enigmatischen
Erzählungen. H.P.Lovecraft: Jenseits
filmischer Möglichkeiten der ultimative Horror. Von Jean-Paul Sartre die Tagebücher.
Julien Green, ebenfalls großartige Tagebücher, alles andere interessiert mich nicht -
immerhin ein Begriff von Katholizismus, der erträglich ist. Ernst Jünger, Politische
Publizistik und Tagebücher. Später Adornos funkelnde Sprache, die Untiefen der
Dialektik. Max Horkheimer ist seriöser. Marcuse besser als sein Ruf. Tonnenweise Beckett gelesen, mit 18 wusste ich noch, was der Autor meint:
Warten auf Godot, Endspiel, Molloy... Zum Totlachen, aber im buchstäblichen Sinne. Heute
könnte ich das nicht mehr lesen - zu weit von diesen Endfiguren entfernt. Thomas Pynchon - m.E. mächtig überschätzt,
dachte ich seinerzeit, aber "Against the day" zeigt den Meister
auf der Höhe der Zeit - was wäre
er allerdings ohne den selbstgestrickten Mythos der Nichterscheinung?
Journalismus/Rezensionen: Der rasende Reporter Kisch.
Alfred Polgar, sehr elegant in der
kleinen Form, gute Schule für Essayisten, die "Stil" suchen. Hans Habe, zwar politisch eine andere Ecke, aber guter Stilist und wohl auch integer.
Ebenso Ulrike Meinhof, die eine gute, eindringliche Schreibe hatte - wäre sie besser
dabei geblieben.
Musik:
Wenn Wim Wenders gesagt hat, ohne Rockmusik wäre er verrückt gewesen, ist dem nicht viel
hinzuzufügen. Beatles, Stones, CCR, Neil Young, Pink Floyd bis
einschließlich "The Dark Side of the Moon".
Mit "Ummagumma" bin ich aufgewachsen - fast...
l
Mein Musentempel - hier opfere
ich und hier habe ich
geopfert. Obwohl
die Amazonen immer stärker werden..
|
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Der immer geniale Country Joe & The
Fish.
Alleine der
Name "Haight Ashbury" entzückt
mich, Music for Mind and Body, nicht weniger für Body and Soul - und das war es auch:
"And I went flying high/All the way all the way. .. "
|
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Terry Riley, A Rainbow in Curved Air,
das kann ich immer hören (A-Seite). |
Captain Beefheart, der später
so erfolgreich wie zweifelhaft zu
malen begann und so göttlich schräg war. Frank
Zappa, soweit er nicht symphonisch wird.
Led Zeppelin. The Doors, dieser Sound
verlässt mich nie. Janis Joplin, aber nicht übersehen, dass die großen schwarzen
Sängerinnen vorher da waren: Bessie Smith, Ma Rainey, Billie Holiday.
|
The Cream, ohnehin Eric
Clapton. Auf einigen Aufnahmen der Cream wird klar, warum sie auf
Londons Häuserwände schrieben "Clapton is god", jedoch
kann sie nur Teile des Olymps. ....vor allem in "Layla" mit
Duane Allman, der mit den Allman
Brothers guten weißen Blues gespielt hat. |
Johnny Winter kann zwar
nicht singen, aber die Gitarre entschädigt für vieles. Jimi
Hendrix - mehr kann man auf einer Elektro-Gitarre nicht
anstellen respektive spielen.
Auch
dem nicht zu öligen Kitsch verbunden: Rick Wakeman, The Six Wives of Henry VIII.
Ist ähnlich wie Mike Oldfield mitunter seicht trotz des
Pompösen (schlimmer noch: Kitaro), aber
manchmal sucht man diese Stimmungen. Später Blues:
Nach Robert Johnson ist der Blues erst
richtig zur devil´s music geworden...Black Ace, Lightnin Hopkins, das klingt in meinen
Ohren perfekt. J.B. Hutto (im
Godesberger Stadtpark live gesehen- a living legend), Lousiana Red, Otis Rush,
Buddy Guy (live auf dem Bonner
Marktplatz erlebt - Chicago Blues), Muddy Waters, Howlin Wolf, Clifton Chenier, B.B. King,
nicht weniger Freddy King. Vor allem aber Earl
Hooker mit seiner stupenden Gitarrentechnik
- elegant, ohne darum weniger devil´s music zu sein.
Ry Cooder. Steve Vai. Stevie Ray Vaughn.
The
Stranglers. New Model Army. Dubrovniks "Audio
sonic love affair". Divine Horsemen, Snake Handler.
Unmengen von
Jazz, bleibe immer bei den Balladen hängen (Alterserscheinung?): Charlie Parker,
Coleman Hawkins, Don Byas, Lester Young (Prez), Eric Dolphy, Art Pepper, Dizzy Gillespie,
Miles Davis
(Birth of the Cool, Kind of Blue
(favourite), Fahrstuhl zum Schafott, Bitches Brew), Stan Getz. Egberto Gismonti. Sonny
Rollins. John Coltrane vor "Ascension". Wes Montgomery. Jimmy Smith. Django
Reinhardt, der einzige Hotjazz, den ich hören kann und immer wieder will. Lennie Tristano.
Chet Baker. Charlie Bird, Latin Jazz. Baden
Powell. Joe Pass. David Murray. John McLaughlin - sowohl als Solist - My
goal´s beyond - wie im Mahavishnu
Orchestra. Weather Report. Kraftwerk. Can. Zum Flamenco über Paco de Lucia, mindestens so
großartig aber Sabicas, der perfeke Hexenmeister,
ein Paganini der Gitarre, dann alle diese alten Niños de...gehört,
Tomatito. Weiterhin Soul: Sam and Dave, James Brown, Booker T & the
MG´s und Al Green.
Chanson,
Kabarett etc:
- Lieblingslied: "Hannelore" - eben vom Halle´schen Tore, kenne
die Ecke auch ganz gut. Übrigens hat die Waldoff schon von Cyberleibern
gesungen, als das Silikon noch nicht erfunden war - Emil "seine
unanständige Lust". Georg Kreisler,
klar: Tauben vergiften im Park, was sonst...eben auch Ehefrauen, Kreisler
massakriert alle und "Musikkrrrrritiker" ist er eben auch.
Malerei.
Mehr Zeit in Malerei investiert als in vieles Andere. Meine Großmeister: van Eyck, Dürer
als Zeichner und Grafiker, Tizian, Chardin, Picasso. Velazquez - die Lässigkeit eines
Malerfürsten, der fast über jeden Vergleich erhaben ist. Zwiespältiges Verhältnis zu
Rembrandt und Rubens. Eine meiner Lieblingszeichnungen, eine wundervolle
Sepia-Lavierung ... na, wer kennt den Maler? Deutsche Romantiker-Zeichnungen: die vielen Meister des Bleistifts
und des Aquarells:
|
Horny, Franz (?)
1798-1824.
"Früchtestudie"
|
C.P.Fohr, August Lucas,
große Zeichner, nur
ja keine Nazarener in Öl und Essig. Landschaft von Koch durchaus. Weiterhin
Corot und seine Landschaften. Die Schule von
Barbizon - wer wäre nicht gerne dabei gewesen? Daubigny. Von einigen Impressionisten abgesehen, wird die Landschaft danach nie
mehr zum wirklich großen Thema. Die Malerei wäre ohnehin nicht allzu unvollständig,
wenn man sie vor dem Impressionismus abgeschlossen hätte, so wild und reich sie sich zu
spreizen scheint. Van Gogh, übersatt gesehen. Frühe Euphorie für Salvador
Dali, später als kalt
abgetan, von einigen Arbeiten - der Thunfischfang etwa - abgesehen. Hans Richters Buch über den Dadaismus. Max
Ernst, die Collagen, Frottagen, aber auch viel überflüssiges Gemüse. Joseph
Cornell,
die wundervollen Kästen, perfekte Kleinwelten.
Marcel
Duchamp vertreibt die heilige Scheu vor der Kunst, solange man nicht M.D.
selbst zum Säulenheiligen macht, wie es der späten Moderne so angelegen ist. Fluxus und
Konzept, sehr einflussreich. If I had a mind/concept. Hier tauche ich zum ersten Mal in die Moderne ein.
Dann das Buch von Hans Richter über DADA.
Objektkunst: Arman, wird aber langweilig. Yves Klein dito wie alle
Malerei, die nur Konzept ist. Picasso ist zu klassisch geworden, man kann
ihn nicht mehr originär sehen. Max Ernst auf dem Weg zur Geisterbahn. Vom
Informel bleibt nicht viel, zu
beliebig oder manieriert. Vielleicht Fred
Thieler. Jackson
Pollock, intensiv, aber überschätzt. Der Gestus allein reicht
nicht. Gilt auch für Baselitz.
Auch auf
den Seitenwegen spaziert: Leo Navratil. Adolf
Wölffli, der geniale Schizophrene, der diese
Krankheit verständlicher macht. Denn es gibt keine Zufälle,
Unerklärlichkeiten oder "schlichten Wahnsinn" ohne jede
Präzedenz, ein streng geordneter Kosmos. Wölffli kann man
studieren...
Joseph Beuys
vermittelte einen tiefen Begriff von der Materialität der Kunst, habe sein Atelier in der
Eiskellerstraße in Düsseldorf einige Male besucht, als Johannes Stüttgen dort
noch residierte. Andy Warhol - Langeweile aus
Überzeugung, aber dabei nicht unwitzig. Wolf Vostell zu angestrengt,
irgendwo deutsch.
Andrew Wyeth, großartige Naturauffassung,
aber letztlich entscheidet die Technik über diese Bilder. Ernst Fuchs, ein Kitschier,
aber ein großartiger. Ähnlich Hans Ruedi Giger, ein Meister des Albtraums
und Salvador Dali, der ein Meister des Virtuellen ist.
Es
wäre auch über die Schaurigkeiten zu
sprechen: Neulich Tübke revisited -
das geht unter keinen Umständen, unerträglich in seiner Prätention,
schlechter als die echten Manieristen, weil er einfach keinen Begriff von
Eleganz besitzt und a la Dürer vermag er schon gar nicht zu überzeugen.
Überhaupt war der offizielle Teil der sog. DDR-Malerei trist - der
Sozialismus konnte bunte Farben nehmen und blieb doch grau. Das war
ostdeutsche Kulturmagie.
Film: Louis Malle, Herzflimmern, einer der
ersten Kinobesuche seit "Heidi" mit acht Jahren. Beides hat mich
angerührt, weil der cineastische Blick längst nicht vorhanden war, dafür
aber die Empfänglichkeit noch durch das Kino, "präintellektuell"
wahrnehmen ist eine kostbare Erfahrung. Aber wenn man es tut, weiß es man
es eben nicht. Spiel
mir das Lied vom Tod, ich mag erhabene Helden, die mythisch entrückt
werden. Daher auch Filme von King Hu.
Easy Rider -
der Kult um ihn hat den Film vor seiner
Betrachtung bewahrt.
Godard
und nochmals Godard: Die Außenseiterbande (In neun Minuten durch den
Louvre), Die Chinesin, Weekend, Tout va
bien ... Das war das Kino als Leben, als das Leben, das man selbst nicht führte - zu der
Zeit, als das Kino noch das Königsmedium war.
Luis Buñuel
- 1966 Belle de Jour - 1969 La voie lactée (Die Milchstraße) - 1973 Le charme
discret de la bourgeoisie (Der diskrete Charme der Bourgeosie). Fernando Arrabal - 1970
Viva La Muerte. Jacques Rivette,
Celine
und Julie fahren Boot, 1974 (einer meiner Lieblingsfilme). Agnès Varda,
Die eine singt, die andere nicht, 1976.
Fellini: Roma
(my favourite), Amarcord, Casanova
- immer üppig, bizarr.Stark von
James Monacos schönem Filmbuch beeinflusst: Der
Film ist ein semiotisches Feuerwerk und Filmrezeption ist Arbeit und - wie Jean-Luc Godard
sagte: Sehe ich einen Film zum zweiten Mal, sehe ich ihn zum ersten Mal zum zweiten Mal.
Tanner und Goretta, zu schön, aber die Zeiten sind etwas schnell
geworden, um das noch so zu erleben. War da nicht noch Clemens
Klopfenstein. Die Straubs
- na ja.
Japanischer Lieblingsregisseur Yasujiro
Ozu. Hier lernt man eine Ruhe kennen, die der europäische, vom
amerikanischen Film nicht zu reden, nicht kennt. Hitchcock, Lieblingsfilm: North by
Northwest - wegen der Szenewechsel, weil ich Odysseen liebe. John Waters,
erstaunliche Karriere, die frühen Filme kennt kaum ein Mensch mehr,
früher musste mancher Cineast vorzeitig gehen, weil es einfach zu
"übel" war. Werner Herzog, Aguirre, Kaspar Hauser - mit diesem in dieser
Rolle genialen Bruno S.
Uliisses
von Werner Nekes, 1982 sowie Johnny Flash mit Helge Schneider, 1986.
Alain Resnais, Providence, 1977. Andrej Tarkowskij: Solaris, Der Spiegel, 1974.
Stalker - ich spüre den Regen, wenn ich den Film sehe. Stalker ist ein
Beispiel für taktiles Kino.
Sergio
Leone. Der frühe Wenders, Im Lauf der Zeit, vor allem.
Ist das der
Sohn von "El Topo"?
|
Rechtzeitig
zum Geburtstag kam die Jodorowsky-Box, dreißig Jahre musste ich
warten:
El Topo - Der Überwestern, überbietet den Manierismus des Italo-Western.
Montana Sacra - die ewige Suche nach dem Stein des
Weisen, trotz einiger Albernheiten ein großartiger Entwurf mit
eindringlichen Bildern. Wenn
man Alexandro Jodorowsky im Interview sieht, erkennt man sofort
das satirische Element, dass seinen Hang zu metaphysischen
Exzessen selten suspekt werden lässt. Warum
macht dieser Mann keine Filme mehr, die Comics sind doch kein Ersatz.
|
|
Robert
Altman, Pret a porter, Short cuts. Quentin Tarantino, Pulp
Fiction. Tiger and Dragon.
Hero. Ghost Dog - mit Forest
Withaker (einer meiner Lieblingsschauspieler,
andere: Robert de Niro, Dirk Bogarde, Rutger Hauer, Samuel L. Jackson, Hendrik
Höfgen),
erinnert mich, obwohl die Schauspieler sehr verschieden sind, an Alain Delon, in:
"Der eiskalte Engel". Jet Li. Zhang Ziyi - großartig in Tiger
and Dragon, die Geschichte ist nicht wichtig, allein die Haltung
zählt. |
Places.
Wenig Natur, viel Stadt. London in den sechziger
Jahren, ich war 1966 und 1968 da, meine erste Erfahrung von Stadt,
die erste Begegnung mit Weltmuseen. Victoria & Albert Museum, Science Museum, British
Museum, Tate Gallery: erste Begegnung mit moderner Kunst. Seitdem notorischer
Museumsbesucher... demnächst mehr.
Im
Übrigen: Wenn ich die Wahl hätte, mein Leben oder meine Träume auf
DVD-Premium-Edition zu erhalten, müsste ich mich wohl für die Träume
entscheiden. Wie sagte Roy: Ich habe unglaubliche Dinge gesehen...
Goedart Palm jetzt auch unter Glanz und Elend zu finden
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