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Moritz, lieber Moritz (1978 - Regie: Hark Bohm) |
Ein pädagogischer Filmessay im Stil der 70er Jahre, d.h.
problemorientiert, gesellschaftlich komplex, stellenweise drastisch, dann
wieder ruhig bis melancholisch erzählt. Die Atmosphäre des Films teilt
sich heutigen Kids vermutlich nur noch teilweise mit. Dabei sind die
Probleme von Moritz die Probleme weiterhin die von heute. Nicht weil
Pubertät je ein schreckliches Schicksal wäre und Neuentwürfe der
Existenz anstünden. Vielmehr sind die gesellschaftlichen Umstände cum
grano salis nicht so weit von denen heutiger Jugendlicher entfernt. Als
Moritz in der Klasse einen Aufstand gegen den Mathelehrer anzetteln möchte,
weist er daraufhin, dass die anderen sich doch nur über Wasser halten könnten
durch teure Nachhilfe. Inzwischen sind Nachhilfen zu einer Industrie
geworden. Die Milieuunterschiede sind erkennbar herausgearbeitet. Doch die
Wege zwischen Elbchaussee und proletarischem Kiez könnten kürzer sein,
als es der Mutter von Moritz lieb ist, da das Familienunternehmen gerade
insolvent wurde und der Insolvenzverwalter gnadenlos in den Luxus besserer
Tage vollstreckt. Mit solchermaßen ungewissen Aussichten auf die Zukunft
bewegt sich Moritz, der neben den Irritationen des Pubertätsprogramms
auch noch im Blick auf ein indianisches Selbsttötungsrecht meditieren
muss, ob er seiner Großmutter Sterbehilfe leisten soll. Die
gesellschaftliche Zwangsagentur „Alten- und Pflegeheim“ mit ihrem
verqueren, oft inhumanen Verständnis von Leben und Tod hat diese Probleme
auch heute noch längst nicht gelöst. Hark Bohm gelingt es dabei
jederzeit, die Alltäglichkeit des Lebens mit der Existenzialität der
Ereignisse und Entscheidungen zu verschränken.
Goedart Palm |
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